myclimate: Herr Bärwalde, vielleicht zu Beginn: Wofür steht die BVZ Holding AG?
Jan Bärwalde: Wir sind ein mittelgrosses, börsenkotiertes Unternehmen mit rund 700 Mitarbeitenden. Unsere Hauptaktivitäten liegen im Regional- und Freizeitverkehr in den Schweizer Alpen. Dazu zählen unter anderem die Matterhorn Gotthard Bahn und die Gornergrat Bahn. Was viele nicht wissen: Neben der touristischen Bedeutung erfüllen wir auch eine wichtige Funktion im Service Public – etwa für Pendler*innen oder bei der Erschliessung abgelegener Regionen. Unsere Verkehrsangebote sichern die Mobilität in Alpengebieten und sind damit ein zentraler Bestandteil der regionalen Infrastruktur.
myclimate: Sie haben eine umfassende Nachhaltigkeits- bzw. ESG-Strategie entwickelt. Was war der Auslöser?
Jan Bärwalde: Die Motivation war zunächst rein intrinsisch. Wir wollten Verantwortung übernehmen – für die Natur, von der wir als touristischer Leistungsträger leben, und für die Regionen, in denen wir verwurzelt sind. Als wir unsere eigene Nachhaltigkeitsagenda entwickelt hatten, kamen dann die gesetzlichen Anforderungen obendrauf – etwa durch den Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative. Wir haben den Prozess also nochmals aufgerollt, um sowohl Kür als auch Pflicht zu vereinen.
myclimate: Wie sind Sie diesen dichten Regulierungsdschungel konkret angegangen?
Jan Bärwalde: Mit Pragmatismus, Offenheit und Elan. Sehr geholfen hat uns, dass wir von Anfang an externe Expertise als Unterstützung dazugeholt haben: bei der doppelten Wesentlichkeitsanalyse, der strategischen Ausrichtung und der CO₂-Datenerhebung. Gerade Letzteres war komplex, weil viele Daten über verschiedene Systeme verteilt waren. Dank der klaren Struktur und Begleitung durch myclimate konnten wir daraus einen echten Mehrwert ziehen.
myclimate: Was macht Ihre ESG-Strategie konkret aus?
Jan Bärwalde: Sie ist passgenau auf uns zugeschnitten – keine Copy-Paste-Vorlage. Es ist «unsere» ESG-Strategie, die aus unserem Selbstverständnis gewachsen ist. Besonders zielführend war für uns dabei die intensive Auseinandersetzung mit der doppelten Wesentlichkeitsanalyse. So sind sowohl unsere internen Anforderungen, Massnahmen und Ziele als auch der Blick von aussen durch unsere wichtigsten Anspruchsgruppen in die Strategie eingeflossen und finden sich in den folgenden Schwerpunkten wieder: ein ressourcenschonender Materialeinsatz, emissionsfreie Technologien, der Ausbau erneuerbarer Energien – etwa durch Photovoltaik – und ein ambitionierter CO₂-Absenkungspfad. Bis 2030 wollen wir unseren gesamten Betrieb mit erneuerbaren Energien versorgen und bis 2050 Netto-Null erreichen. Uns ist aber auch bewusst: Das gelingt nur mit zusätzlichen Massnahmen, bei denen wir auch für nichtvermeidbare Emissionen Verantwortung tragen – etwa durch regionale Biodiversitätsprojekte.
myclimate: Und jenseits der Umweltaspekte – wie leben Sie soziale Verantwortung?
Jan Bärwalde: Das beginnt bei unseren Mitarbeitenden. Wir wollen ein fairer, sicherer und attraktiver Arbeitgeber sein. Dazu gehören Diversität, Weiterbildung, Gesundheitsförderung und flexible Arbeitsmodelle – gerade in Bereichen, in denen traditionell wenige Frauen arbeiten. Wir möchten zeigen: Eine Lokführerin ist genauso selbstverständlich wie ein Lokführer. Darüber hinaus engagieren wir uns aktiv in unseren Regionen – durch den Dialog mit der Bevölkerung bei Bauprojekten, als Partner von Veranstaltungen oder durch lokale Wertschöpfung. Rund 100 Millionen Franken an Infrastrukturaufträgen vergeben wir jährlich – oft an Unternehmen aus der Region.
myclimate: Auf welchen Standards basiert Ihre Berichterstattung?
Jan Bärwalde: Wir orientieren uns an GRI (Global Reporting Initiative), ISAS (International Standards on Auditing), TCFD (Task Force on Climate-related Financial Disclosures) und der kommenden Direktive CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive). Ergänzt werden diese Standards durch die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs), insbesondere fünf davon, auf die wir uns fokussieren. Das Ziel: eine transparente, belastbare und steuerungsfähige Berichterstattung, die sich an der Realität unseres Unternehmens orientiert – nicht an einem idealisierten Bild.
myclimate: Was war die grösste Herausforderung?
Jan Bärwalde: Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse und die für viele Teile dafür massgebliche Datenerhebung. Gerade beim ersten Mal war das ein enormer Aufwand – inhaltlich und organisatorisch. Wir mussten viele interne Prozesse neu denken und sind dabei auf systemische Lücken gestossen. Heute wissen wir: Beim nächsten Mal wird vieles einfacher – weil wir wissen, wo die Daten liegen, wer sie liefern kann und wann wir sie brauchen.
myclimate: Welche Rolle spielte myclimate in diesem Prozess?
Jan Bärwalde: myclimate war fachlich stark, pragmatisch und unterstützend. Sie haben uns durch den Dschungel der Vorgaben begleitet, bei der CO₂-Bilanzierung unterstützt und beim Reporting geholfen, Struktur in den Prozess zu bringen. Und vielleicht noch wichtiger: Gemeinsam konnten wir erarbeiten, wo wir stehen – und wo wir noch hinmüssen.
myclimate: Wie geht es jetzt weiter?
Jan Bärwalde: Der nächste Schritt ist die Systematisierung und Professionalisierung: Wir wollen ESG noch stärker in unsere Prozesse integrieren – etwa durch standardisierte Projektbewertungen oder eine zentrale Steuerung. Governance ist dabei ein Schlüssel – wir haben eine ESG-Kerngruppe, die durch eine direkt beim CEO angesiedelte Koordinationsstelle gesteuert wird. Und: Ohne das Topmanagement geht es nicht. Ohne Commitment von oben bleibt ESG ein Papiertiger. Unser Ziel ist, Nachhaltigkeit als Teil der Unternehmens-DNA fest in der Organisation zu verankern. Bei jedem Projekt, jeder Investition, jeder Entscheidung soll mitgedacht werden: Was bedeutet das für unsere ESG-Ziele? Und natürlich wollen wir jetzt auch ESG-Leuchtturmprojekte identifizieren und vorantreiben.
Vielen Dank an die BVZ Holding für das Vertrauen und die gute Zusammenarbeit.
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