Stellungnahme zum Klimaabkommen der Luftfahrtindustrie

myclimate kritisiert das gestern beschlossene Klimaschutzabkommen CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation) der internationalen Luftfahrtindustrie. Das Konzept des «climate neutral growth» greift nicht weit genug. Angesichts des Klimawandels, der globalen Emissionsziele als auch der wirtschaftlichen Situation wäre es angebracht, die 800 Millionen Tonnen CO₂, welche die Flugzeuge jährlich in die Atmosphäre ausstoßen, vollständig zu kompensieren.

Beim ICAO 39th Triennial Assembly, welches bis zum 7. Oktober in Montréal stattfindet, verkaufte die International Civil Aviation Organization (ICAO) ihr Abkommen als historischen globalen Klimaschutz-Airline-Deal. Kernpunkt ist das sogenannte «climate neutral growth» (klimaneutrales Wachstum), welches für alle Airlines beschlossen wurde. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass künftig nur die ab 2020 zusätzlich entstehenden CO₂-Emissionen kompensiert werden sollen. Die Politik ebnet damit der Luftfahrtbranche den Weg, die ab 2020 bereits vorhandenen jährlichen Emissionen von dann rund einer Milliarde Tonnen CO₂ weiterhin kostenlos in die Atmosphäre zu entsorgen.

„In der ICAO sitzen Politiker der gleichen Staaten, die Ende 2015 das Paris-Abkommen beschlossen haben. Es ist für uns unverständlich, dass diese für eine ganze Branche nun gratis Verschmutzungsrechte in Milliardenhöhe akzeptieren“, zeigt sich Stefan Baumeister enttäuscht.

Das Abkommen wird in drei Phasen ausgerollt und sogar erst ab 2027 bindend für alle Airlines. Positiv ist immerhin: schon 65 Staaten, die ca. 80% der internationalen Flüge abdecken, haben sich bereit erklärt, gleich zum Start 2020 mit zu machen.

Selbst aus Kreisen der IATA und einzelner Airlines hätte man sich ein strengeres Abkommen gut vorstellen können, z.B. die Ausrichtung am formulierten Langfristziel, dass die Branche bis zum Jahr 2050 netto 50% weniger CO₂-Emissionen gegenüber 2005 ausstoßen möchte.

Eine immense verpasste Chance

myclimate zeigt sich von dem Abkommen enttäuscht, weil das bewährte Verursacherprinzip – seit Jahrzehnten in der Abfall- und Wasserwirtschaft praktiziert – nicht konsequent umgesetzt wird.

Außerdem ist das wirtschaftliche Umfeld für die Luftfahrtbranche günstig. Aus den aktuell publizierten IATA-Zahlen (Fact sheet Fuel, Juni 2016) geht eindeutig hervor, dass die Airlines dieses Jahr im Vergleich zu 2014 voraussichtlich 100 Milliarden US-Dollar an Betriebskosten dank gesunkener Kerosinpreise einsparen werden. Damit hat die Branche extrem viel Spielraum für Investitionen in effizientere Flugzeuge und noch mehr Forschung in alternative Kraftstoffe. Aber auch für einen vollständigen Kompensationsmechanismus.

„Ein Gedankenspiel: Würde man z.B. 10% dieser 100 Milliarden schweren Einsparungen in die Kompensation aller von Flugzeugen erzeugten CO₂-Emissionen investieren (1Mrd t CO₂ in 2020), würde das einem Preis von 10USD pro Tonne CO₂ entsprechen. Bei ca. 3,5 Mrd Flugbewegungen im gleichen Jahr würde das einem Aufpreis von nur 3 USD pro Flugticket entsprechen“, rechnet Stefan Baumeister.

„Selbst wenn die Airlines diese enorme Summe nicht aus eigener Tasche bezahlen, sondern komplett an die Fluggäste weitergäben, würde das die Dynamik der Branche nicht beeinträchtigen. Wenn die Politiker für die Branche solch einen Rahmen definiert hätten, den alle Airlines anwenden würden, dann gäbe es auch keinerlei Sorgen über mögliche Wettbewerbsnachteile für einzelne Airlines!“

Und noch ein weiteres großes Anliegen von myclimate wäre gelöst:

Es ist zu befürchten, dass die Kompensation über sogenannte Billigzertifikate geschieht, die bei entsprechendem Einkauf zu einem Preis von ungefähr einem Dollar pro Tonne „zu haben wären“. Mit einem Preis von 10USD pro Tonne könnte jedoch gewährleistet werden, dass alle Emissionen über Klimaschutzprojekte ausgeglichen werden, die nach strengen Qualitätsstandards zertifiziert sind (Gold Standard und CDM). Damit wäre global gesehen ein äußerst großer Hebel für die Umsetzung integrer Klimaschutzprojekte und der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG´s) verfügbar.

Die zusätzlichen klimawirksamen Effekte von Flügen wurden im Abkommen nicht behandelt. Der geeignete Faktor ist in der Wissenschaft weiter heftig diskutiert, der Korridor liegt aber im Mittelwert bei 1-3 (bezogen auf die Emissionen aus der reinen Kerosinverbrennung). „ Auch dieser Punkt könnte über den gleichen Mechanismus angegangen werden. Je nach festgelegtem Faktor –- würde der Aufpreis pro Flugticket dann eben 6USD bzw. 9USD im Schnitt betragen. Wäre das nicht ein fairer und auch verträglicher Preis“, fragt Stefan Baumeister.

Medienmitteilung ICAO:
Historic Agreement reached to mitigate international airline emissions

IATA Factsheet:
Factsheet Fuel 2016

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