Der Weltklimavertrag von Paris, ein historischer Meilenstein?! – myclimate Stellungnahme

Was bedeutet der Pariser Weltklimavertrag für die Zukunft unserer Gesellschaft? Was sind die nächsten Schritte, die jetzt in Angriff genommen werden müssen, und was heisst das alles für die Schweiz? Eine Einschätzung von myclimate finden Sie in dieser Stellungnahme.

myclimate Geschäftsführer René Estermann und hat die Verhandlungen, die Fallstricke und Fortschritte bis zum Abkommen vor Ort verfolgt. (foto: Gian Marco Castelberg, Sonntagszeitung)

In Paris wurde im Dezember 2015 eine historische Leistung vollbracht. 195 Nationen haben einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag abgeschlossen und sich geeinigt, im 2050 eine weltweite Klimaneutralität, die Gründervision von myclimate, zu erreichen. Das allein bedeutet eine globale Revolution, im Grossen wie im Kleinen. Über das Meisterstück an Diplomatie, dass dieser Einigung vorausging, wurde schon viel geschrieben. Bezeichnend und vielleicht auch mitentscheidend war aber der in Paris herrschende Geist und der fantastische Esprit.

Und da beginnt die grosse Aufgabe und Herausforderung für die kommenden Jahre und Jahrzehnte: Diesen Geist müssen alle mit nach Hause nehmen und dort die für das Erreichen der Ziele nötigen konkreten Massnahmen umsetzen.

Wir alle haben ein Problem… Das wir lösen können und das wir lösen werden!

Die Zeit des Verschiebens, des Wegduckens und des Abwälzens von Verantwortung ist vorbei. Der 5. IPCC Bericht hatte im Vorfeld ein weiteres Mal die absolute Dringlichkeit aufgezeigt.Es besteht eine gemeinsame Wahrnehmung, dass es ein Problem gibt. Und es gibt das klare Bekenntnis zu einer gemeinsamen globalen Problemlösung. Die gewaltigen Auswirkungen einer Klimaerwärmung von über 1.5°C sollen nicht einfach hingenommen werden. Vielmehr soll in einem gemeinsamen Kraftakt der Einsatz neuer CO₂-freier oder reduzierender Technologien massiv ausgebaut werden.

Das erklärte Ziel ist eine schnellstmögliche Dekarbonisierung von Wirtschaft und Energieversorgung. Der Pariser Klimavertrag besagt es, aber es muss allen bewusst werden. Das Ende des Zeitalters der fossilen Energien ist eingeläutet. Der Ausstieg aus deren Nutzung ist zwingend, dank des Vertrages verbindlich und muss umgehend angepackt werden. Auch wenn dieses Projekt Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird und zwangsläufig gewaltige Veränderungen innerhalb der Gesellschaften zur Folge haben wird. Dieser Punkt steht im Herzen dessen, was geschehen muss. Ohne Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft wird der Vertrag sein Ziel nicht erfüllen können.

Wirtschaft und Finanzmärkte brauchen klare Signale und sichere, langfristige Rahmenbedingungen. Diese Voraussetzung liefert der Vertrag. Die immer noch ungeheuren Investitionen in die fossilen Energien müssen jetzt hin zu sauberen Energien gelenkt werden. Dies öffnet nicht nur den Klimaschutz unglaubliche Chancen, sondern bedeutet auch neue potente Märkte, neue Tätigkeitsfelder und viele neue Jobs.

Und wo bleibt die Schweiz?

Die Schweizer Energieversorgung basiert heute noch mehrheitlich auf fossilen Energien. Die Mobilität und die Gebäudeheizungen funktionieren noch hauptsächlich auf Benzin, Erdgas und Erdöl. Die Energiestrategie 2050 des Bundes geht bereits klar in die Richtung der Dekarbonisierung. Diese muss jedoch noch entschiedener und mit höherer Ambition und höherem Tempo umgesetzt werden.

  • Der Transformationsprozess hin zu Energieeffizienz und sauberen Energien bei den Gebäuden und in der Mobilität muss beschleunigt werden. Neubauten mit fossilen Heizsystemen sind tabu. Für die Bestehenden steht der Ersatz der fossilbasierten Heizungen auf der Tagesordnung. Statt 1% der bestehenden Gebäude jährlich zu erneuern brauchen wir mindestens 4%. Das bedeutet nicht weniger, als dass innert 25 Jahren alle alten Gebäude modernisiert – v.a. auch dekarbonisiert werden. 
  • Der Ausstieg aus den fossilen Energien ist weltweit beschlossen. Die Schweizer Energiewirtschaft kann nun einem viel entschiedenerem, rascherem Umbau unterzogen werden. Dabei muss der Bedarf durch Energieeffizienzmassnahmen reduziert und der verbleibende Rest mit sauberen Energien ersetzt werden.

Je ambitionierter die Rahmenbedingungen für Heizungen, Gebäude und Mobilität im Inland gesetzt werden, umso mehr ist die Fähigkeit zu Innovation und Technologieentwicklung unserer Wirtschaft gefragt. Das ist keine Bürde, sondern für die Schweiz als Hochtechnologieland eine Chance. Weltweit sind grosse und interessante Märkte im Entstehen, deren Nachfrage Schweizer Unternehmen befriedigen können. Die weltweit historisch niedrigen Preise für fossile Energieträger spielen uns dabei in die Karten. Diese Einsparungen können direkt als Investitionen umgeleitet werden. Dieser Profit ist nachhaltig, sowohl was die ökologische als auch was die ökonomische Seite betrifft.

Verschmutzer zur Kasse bitten

Der Transformationsprozess benötigt weltweit beträchtliches Engagement und Investitionen. Neben der Umstrukturierung der Investitionen in Wirtschaft und Finanzwelt gibt es einen weiteren wirksamen und zwangsläufigen Hebel: Eine zweckgebundene Gebühr auf sämtliche Treibhausgasemissionen getreu des Verursacherprinzips „polluters pay“. Zweckgebunden bedeutet, Finanzierung von Effizienzmassnahmen und Innovation im Inland bei gleichzeitiger Unterstützung für eine globale nachhaltige und saubere Entwicklung über anerkannte Klimaschutzprojekte. Dieses Prinzip hat sich bestens bei der Abfall- und Abwasserwirtschaft bewährt und liesse die Version einer klimaneutralen Schweiz deutlich früher als 2050 Wirklichkeit werden.

Schon jetzt realisieren immer mehr Unternehmen freiwillig diese Strategie der Klimaneutralität. Die Schweiz könnte sich als erstes klimaneutrales Land weltweit sehr positiv positionieren. Der Gewässerschutz und eine saubere Abfallwirtschaft wurden auch geschafft, auch wenn beiden das zur Trägheit neigende föderale Prinzip und Vorbehalte an der Basis im Wege standen. Schlussendlich brachten obrigkeitliche Verfügungen einen Durchbruch, den heute niemand mehr in Frage stellt.

Mehr als nur Papier

Der Klimavertrag von Paris ist ein historischer Meilenstein. Er steht als Resultat für den gemeinsamen Willen der Leader aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft, die Zukunft zu dekarbonisieren. Dieser Wille war in Paris überall greifbar, ob in den Konferenzen oder von Grössen wie dem OECD-Chef Angel Gurria oder von myclimate Patron und IEA Chef Fatih Birol artikuliert. Diese spürbare Euphorie muss nun weiter getragen werden.

Natürlich ist der Vertrag nicht perfekt, es liegt aber uns allen weiter an ihm zu arbeiten. Katerstimmung darf sich nicht einstellen. Ängste und Vorbehalte müssen wir offensiv angehen. Untätigkeit dürfen wir nicht zulassen. Wir haben uns auf eine Jahrhundertaufgabe geeinigt. Wenn wir diese mit Mut, Entschlossenheit, aber auch Verantwortung und Rücksicht auf die Schwächeren anpacken, können wir nur gewinnen!

Link zum myclimate Statement: Ist eine klimaneutrale Schweiz möglich?

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Was wurde im <link http: unfccc.int documentation documents advanced_search items external-link externen link im aktuellen>Weltklimavertrag in Paris vereinbart? 

  • Alle 195 Länder unserer Welt haben vereinbart, Massnahmen zu treffen, um die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C zu limitieren. Es sollen ausdrücklich sogar Anstrengungen unternommen werden, um sogar das „1.5°C Ziel“ noch zu erreichen. Damit soll den schlimmsten Auswirkungen der Erderwärmungen vorgebeugt werden.
  • Der Pariser Weltklimavertrag ist ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag. Um die Ziele zu erreichen, müssen alle Länder individuelle nationale Klimapläne mit eigenen Zielen entwickeln. Diese werden alle fünf Jahre überprüft und müssen allenfalls intensiviert werden. Bereits 188 Länder hatten vor Beginn der Konferenz solche Pläne (INDCs – Intended Nationally Determined Contributions) bei der UNO eingereicht. Durch die Summe der Ziele dieser bisher eingereichten Pläne würde jedoch erst knapp die Hälfte des 2°C-Ziels erreicht werden. Das bedeutet: Bei den konkreten Anstrengungen zur Reduktion der Treibhausgase muss in allen Ländern noch deutlich nachgearbeitet werden.
  • Ab der zweiten Hälfte des Jahrhunderts soll die globale Klimaneutralität erreicht werden. Maximal so viele Emissionen dürfen noch ausgestossen werden, wie mit zusätzlichen Reduktionsmassnahmen,zum Beispiel durch Wiederaufforstung von Wäldern, wieder gebunden werden.
  • Die Industrieländer werden die Entwicklungsländer im Kampf gegen den Klimawandel und bei einer sauberen technologischen Entwicklung finanziell unterstützen. Das bedeutet eine jährliche Zahlung von 100 Milliarden US-Dollar in den GreenClimateFund. Diese soll zudem ab 2023 überprüft und allenfalls erhöht werden. Auch für die Aufarbeitung von Schäden und Anpassungsmassnahmen an den voranschreitenden Klimawandel wurden ein separater Fund und eine Versicherungslösung geschaffen.

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