EU-Lieferkettengesetz: «Enthaltung Deutschlands unverantwortlich!»

Das EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) sollte nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln fördern. Die Enthaltung Deutschlands an der EU-Abstimmung sei «unverantwortlich für nachhaltig ausgerichtete Unternehmen und den Klimaschutz», sagt Harald Rettich, Bereichsleiter Corporate Partnerships myclimate und Sprecher der Regionalgruppe Berlin/Brandenburg des Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW). Was bedeutet die geplatzte Abstimmung für europäische Unternehmen und wie steht es mit der CSRD in Verbindung? – Das beleuchtet Harald Rettich im Interview.

Was ist das EU-Lieferkettengesetz?

Harald Rettich, Bereichsleiter Corporate Partnerships bei myclimate und Sprecher der Regionalgruppe Berlin-Brandenburg Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW):
Das Lieferkettengesetz oder konkret auch die Corporate Sustainability Due Dilligence Directive (CSDDD) soll einen Rahmen für Mindeststandards des verantwortungsvollen und unternehmerischen Handelns schaffen. Dass sich der EU-Rat und das EU-Parlament bereits vorläufig auf die CSDDD geeinigt hatten, galt als Meilenstein für einen Schutz von Menschenrechten und Umweltbestimmungen. Es hätte Unternehmen EU-weit verpflichtet, negative Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf Menschenrechte und Umwelt entlang ihrer Liefer- und Wertschöpfungsketten zu identifizieren und zu vermeiden. Übrigens wären davon auch Unternehmen betroffen gewesen, die aus Drittstaaten heraus in der EU tätig sind. 

 

Woran ist das EU-Lieferkettengesetz gescheitert?

Aufgrund der Ankündigung Deutschlands, sich bei der Abstimmung zur CSDDD zu enthalten, wurde der Agendapunkt kurzfristig gestrichen. Ein Zeitpunkt für eine erneute Abstimmung ist bisher nicht festgelegt worden. Diese Verzögerung, von der ich hoffe, dass sie kein komplettes Scheitern darstellt, passt in keiner Weise zur Klimakrise und dem gesetzten 1,5 Grad-Ziel. Wir brauchen hier und heute ein energisches und gemeinsames Handeln möglichst vieler Akteure. In Deutschland, auf EU-Ebene und weltweit. Als Organisation, die sich für eine Netto-Null-Gesellschaft einsetzt und sich gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft auf eben diesen Weg macht, muss ich sagen:  Die Enthaltung Deutschlands an der EU-Abstimmung ist unverantwortlich! Sie erschwert die Ausrichtung von Unternehmen auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Damit entfällt ein wichtiger Beitrag zur Verwirklichung der Ziele des European Green Deal sowie zur Bewältigung globaler Herausforderungen im Bereich der Nachhaltigkeit.

 

Was bedeutet das für Unternehmen und den Klimaschutz?

Wir arbeiten seit über 20 Jahren mit Unternehmen aus allen Branchen zusammen, die als Vorreiter den Klimaschutz voranbringen. Das EU-Lieferkettengesetz hätte dieses zukunftsweisende Verhalten belohnt und gleiche Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU geschaffen. Die CSDDD ist damit sowohl eine Chance für die Wirtschaft als auch ein Baustein, um die Zukunft unseres Planeten zu bewahren.  

Ins Hintertreffen geraten nun beispielsweise deutsche Unternehmen, die sich bereits den Anforderungen des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) angepasst haben und von einem einheitlichen, verbindlichen Rahmen in Europa profitiert hätten. Auch Unternehmen anderer Staaten spüren die Auswirkungen. Das nationale österreichische Lieferkettengesetz wurde zunächst innenpolitisch und aufgrund der erwartete EU-Regelung blockiert. Das birgt nun wirtschaftliche Unsicherheiten bei den am myclimate-Standort Österreich ansässigen Unternehmen. 

Ich hoffe daher sehr, dass die CSDDD wieder aufgegriffen wird, rechne damit aber nicht mehr vor der Europawahl im Juni.  

Bezogen auf den Klimaschutz ist die CSDDD schlicht ein wichtiger Baustein des European Green Deal-Ziels, eine Wirtschaft zu ermöglichen, die bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr ausstößt. Dabei spielt die Zeit leider nicht für das Klima.  

 

Betrifft das Scheitern auch die kommende Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)?

Die CSRD ist wie die CSDDD unter dem Dach des sogenannten «Green Deal» der EU zusammengefasst. Die einzelnen Initiativen sind jedoch unabhängig voneinander. Somit ist wichtig zu betonen: Die Absage der Abstimmung über das EU-Lieferkettengesetz ändert nichts an der grundsätzlichen Zielsetzung des European Green Deal oder der darin enthaltenen EU-Berichtspflicht CSRD. Unternehmen müssen sich also weiterhin darauf vorbereiten, einen Lagebericht zu Nachhaltigkeitsaspekten darzulegen. In Deutschland sind davon statt bisher ca. 550 zukünftig etwa 15.000 Unternehmen betroffen, EU-weit steigt die Zahl von 1.600 auf 49.000. Wir unterstützen derzeit in Deutschland und Österreich viele Unternehmen dabei, sich rasch auf die geänderten Anforderungen einzustellen. Obwohl der Zeitpunkt des Inkrafttretens nah ist, bemerken wir in Gesprächen bei Anfragen und mit unseren Kund*innen viele Unsicherheiten. Mit unseren Partnern und Expert*innen begleiten wir daher Unternehmen bei der Vorbereitung und bei den individuellen Klimaschutzzielen. 

Ihr Ansprechpartner in Deutschland: Harald Rettich, Bereichsleiter Corporate Partnerships Deutschland

Ihr Ansprechpartner in Österreich: Christof Fuchs, Geschäftsführer Österreich, Co-Geschäftsleiter Stiftung myclimate

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